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Italienische Momente

Von scrittore

Prolog

Geschichte einer langjährigen Freundschaft

Waltraud und ich studierten zusammen im gleichen Semester Chemie. Meine damalige Freundin und spätere Frau hatte sich für die Juristerei entschieden. Wir und noch zwei, drei Andere bildeten eine unzertrennliche Clique.
Nach den Vorlesungen und auch zwischendrin trafen wir uns regelmäßig bei Luca. Lucas Laden war eine Institution in unserem kleinen Universitätsstädtchen. Er betrieb zusammen mit einem Cousin einen Lebensmittelimport, italienische Spezialitäten, Olivenöl und Wein. Neben dem Laden, in einem winzigen Raum, standen drei Tische an denen er uns Antipasti, Käsestückchen und natürlich den unvergleichlichen Wein zum verkosten anbot. Wir redeten oft bis in die Nacht, es war wie ein zweites Wohnzimmer für uns.
Es kam wie es kommen musste, sie konnte seinem südländischen Charme nicht widerstehen. Waltraud und Luca verliebten sich ineinander und wurden ein Paar.
Als nach wenigen Jahren Lucas Vater starb, betrieb der Cousin die Firma alleine weiter, und Waltraud und Luca bewirtschafteten den Hof in der Umgebung des kleinen Städtchens im Chianti und bauten Oliven und Wein an.
Als wir noch bei München lebten, war es Tradition regelmäßig gemeinsam das Oktoberfest zu besuchen. Auch für Italiener ein ganz besonderes Ereignis.
Seit Jahren versuchen wir wenigstens einmal im Jahr ins Chiantigebiet zu fahren und wohnen ein paar Tage oder Wochen bei den Beiden. Sie haben uns auch schon hoch und heilig versprochen, uns demnächst zu besuchen. Die beiden Söhne sind jetzt so weit, den Hof auch einmal alleine zu führen.

Und morgen beginnt unsere Reise.



Die italienischen Momente beginnen für uns, wenn wir unser Auto auf dem Parkplatz abgegeben haben und unser kleines Hotel an der Via Nazionale erreicht haben. Hier im Herzen von Florenz beginnt Italien, das richtige Italien. Von unserem Zimmer unter dem Dach können wir auf die ziegelrote Kuppel, Brunelleschis Domkuppel blicken. Im Hof stehen ein paar Palmen und Zitronenbäume und wir liegen uns glücklich in den Armen, froh darum wieder daheim zu sein in La Fiorentina, unserem Florenz.
Wir ziehen uns frische Klamotten an, laufen um ein paar Ecken an der gusseisernen Konstruktion der Markthalle vorbei, über den von Menschen wuselnden Ledermarkt und erreichen die kopfsteingeflasterte Piazza an der Kirche San Lorenzo. Ein Glas Wein als Willkommenstrunk, dafür muss Zeit sein. Ein Tischchen unter der Markise ist noch frei. Viele, sehr viele Touristen aus allen möglichen Ländern schlendern über den Platz. Ich betrachte einmal mehr die archaische Fassade der Medicikirche. Mehr von Florenz ist heute nicht drin. Vielleicht bleibt uns morgen früh zum Abschied noch der grandiose Blick von der Piazzale Michelangelo über das Stadtpanorama.

Dann laufen wir zurück, die paar Meter am Park vorbei zu unserem kleinen Ristorante, wo wir im Innenhof unter Bäumen zu Abend essen.
Die Luft ist lau, Grillen begleiten mit ihrem Konzert unser Mahl. Wir teilen uns eine große Schüssel Bauernsalat und trinken dazu den offenen roten Hauswein, ein gehaltvoller Roter von den Hügeln des Chianti. Kerzen brennen auf den weißgedeckten Tischen, im Hintergrund begleiten uns leise italienische Musik, leichtes Gläserklirren und Wortfetzen. Die blühenden Sträucher und Blumen im Garten verbreiten einen betörenden Duft. Endlich ist es wieder warm, nach unserem verregneten August genießen wir die lauen Temperaturen.

Nach dem Frühstück laden wir unser Handgepäck ins Auto und verlassen Florenz. Die Straße zur Piazzale Michelangelo ist verstopft von Ausflugsbussen. Schweren Herzens verzichten wir auf den Abstecher.
Gleich hinter Florenz befinden wir uns schon auf der Chiantigiana, einer der schönsten Straßen der Toskana, die sich durch die mit Zypressenreihen bewachsenen Hügel, Weinberge, Olivenhaine und Städtchen des Chianti windet und Florenz mit Siena verbindet. Wer Zeit hat und die Fahrt genießen will, sollte die Schnellstraße über Poggibonsi vermeiden und wie wir der 222 folgen.
Städtchen wie Strada, Greve und Castellina bieten viel fürs Auge und den Gaumen. Schließlich sind wir hier mitten im Herzen des Chianti Classico, dem Land des Gallo Nero.
Hier in Castellina verabschieden wir uns von der Chiantigiana und fahren die paar Kilometer zu unserem Ziel, dem alten von Mauern und Türmen umgebenen Städtchen. Etwas außerhalb bewirtschaften Waltraud und Luca ihr alteingesessenes Weingut.
Im Vergleich zu den 350 ha ihres Nachbarn der Agricola Monterinaldi ist es eher klein, dafür können sie aber von der Qualität her gut mithalten.

Wir fahren den Hügel hinauf auf den weitläufigen Hof, steigen aus und atmen tief durch.
Waltraud steht in der Tür des Gutshauses und begrüßt uns herzlich.




Porcini, Vipern, ein verdammt guter Wein und der Empfang beim Bürgermeister


In aller Herrgottsfrühe tranken wir noch etwas schlaftrunken unseren Caffé, dann stiegen wir in Lucas Geländewagen und Stefano fuhr mit uns ein paar Kilometer bis zu einem kleinen Parkplatz am Waldrand. Wir schlüpften in unsere Gummistiefel, nahmen die Körbe und gingen auf Pilzsuche. Waltraud wollte uns ein typisches Pilzgericht der Gegend servieren, frische Steinpilze mit Knoblauch -Funghi porcini trifolati-.
„Nehmt Gummistiefel mit, hier gibt es giftige Vipern. Passt auf, wenn ihr die Pilze erntet“ hatte Waltraud uns ermahnt.
Stefano hat nur gelacht, „Um diese Tageszeit sind sie noch viel zu träge.“
Trotzdem mit gehörigem Respekt suchten wir den Waldboden nach Porcini (Steinpilzen) ab. Schon bald sahen wir ein ganzes Nest, einer schöner wie der Andere. So große Pilze hatten wir bei uns nur ganz selten einmal gefunden. Schnell waren die Körbe voll und wir fuhren wieder heim. Jetzt fingen auch die Mägen an zu knurren.
Am Sonntag machten wir einen Ausflug zum Castello di Volpaia. Ein mittelalterliches Dorf mit Burg empfing uns im strahlenden Sonnenschein. Das Dorf ist nicht mehr bewohnt, sondern gehört zum Weingut der Stianti Mascheroni. Die riesigen miteinander verbundenen Kellerräume werden als Lagerkeller für den excellenten Wein genutzt. Einige Häuser dienen als Ferien- und Gästewohnungen und als Büros des Weingutes. In der ehemaligen Kirche befindet sich heute ein Informationszentrum für Touristen und Weinliebhaber.
Der Höhepunkt war aber natürlich die Verkostung des einheimischen Weines. Obwohl wir sonst eher Rotweinliebhaber sind, war der Bianco Val d`Arbia ein Gedicht, und wir haben spontan ein paar Flaschen erstanden.

Wir bummelten gemütlich durch die Via Romana, die Einkaufsstraße, und schauten in die Auslagen der kleinen Läden, als uns Manfredo, Stefanos älterer Bruder über den Weg lief. Er war auf dem Weg ins Municipio, ins Rathaus. Manfredo ist im Gemeinderat und hatte ein paar Dinge zu erledigen.
„Kommt doch mit, dann führe ich euch durch unser Rathaus.“ Das weiße Haus mit den beiden hohen Torbögen lag direkt vor uns.
Manfredo zeigte uns sein Büro und den Sitzungssaal. „Und hier ist das Büro unseres Sindaco, des Bürgermeisters.“ Da öffnete sich die Tür und der Bürgermeister stand leibhaftig vor uns. Er begrüßte Manfredo und uns herzlich und bat uns in sein Büro. Wir unterhielten uns eine knappe Viertelstunde lebhaft miteinander auch über Görlitz, er hatte von der Flut gehört, bevor der Sindaco und Manfredo zu ihren Terminen mussten.
Das war also unser „Empfang“ durch den Bürgermeister.

Geschrieben 27.04.2011, Geändert 27.04.2011, 2394 x gelesen.

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